Bundesdarlehen an Profifussballklubs sind keine gute Idee

Um sogleich Missverständnissen vorzubeugen. Ich halte den Schweizer Profifussball für systemrelevant. Die Frage, ob der Fussball einen Beitrag leisten kann, um die Herausforderungen, die auf die Corona-Krise folgen werden, anzugehen, kann ich aus meinen langjährigen Erfahrungen in diesem Sport mit einem klaren JA beantworten!

Einverstanden, die Fussballklubs in den obersten zwei Ligen der Schweiz sind keine rein sozialen Institutionen. Ihr Kerngeschäft bleibt Fussballspielen  — und Erfolg haben. Dennoch haben sie eine besondere Stellung inne, die ihnen eine gesellschaftliche Verantwortung überträgt. Als Unternehmen sind die Klubs ein Teil der Wirtschaft. Gleichzeitig sind die Klubs ein Begegnungs- und Interaktionsort der Gesellschaft — viel mehr als jedes privatwirtschaftliche Unternehmen. Und hier setzt meine Kritik am Darlehensvorhaben an:

Regionale Verankerung und Wertediskussion

In den letzten Jahren konnte ich beobachten, wie der Profifussball den Fokus auf seine gesellschaftliche Verantwortung – neben seiner unternehmerischen Verantwortung – zu verwässern und vernachlässigen begann. Bis heute ist mir nicht klar ob es am Willen liegt oder sich das Verständnis ändert. Die Folge: Nicht nur eine Kluft zwischen Fans und Verein ensteht so, nein noch verheerender, es besteht die Gefahr, dass die Klubs sich so von ihren Regionen abkoppeln und zusehends zu einem Fremdkörper im emotionalen wie auch im strukturellen Sinne werden. Die regionale Verankerung geht verloren und die Wertediskussion tritt in den Hintergrund.

Dabei: Durch seine Nähe zur lokalen und regionalen Bevölkerung gelingt es dem Fussball, etwas zu bewirken. Er schafft emotionale Brücken zu den Menschen aus seiner Gegend und vergrössert so auch seine Anhängerschaft. Darin liegt die Chance und gleichzeitig die Verantwortung des Spitzenfussballs. Er kann aussenstehende Menschen in die Gesellschaft integrieren. Er kann ein Ort sein, an dem jeder Mensch gleichberechtigt teilhaben kann. Mit seiner Popularität kann der Fussball eine Vorbildfunktion einnehmen, wie ich auch im Jahresbericht der SFL im 2016/2017 darlegen konnte, als ich noch dort tätig war.

Schulden nehmen die Luft zum Handeln

Darlehen sind Schulden und belasten in erster Linie die Bilanz. Für die meisten Klubs der Super- und Challenge League werden die Darlehen nicht stemmbar sein und eine finanzielle Belastung darstellen, welche die Klubs dazu zwingen wird, ihr Handeln und Denken noch mehr rein nach ökonomischen Prämissen auszurichten. Das, was vielleicht mit Verpflichtungsdarlehen bei der Swiss funktioniert, wird bei den Profiklubs eine Entwicklung (weiter) forcieren, die den Werten des Sports und dem Wesen des Fussballs entgegen läuft. Das Korsett an Bedingungen, welche in einer Absichtserklärung formuliert wurden, werden insbesondere die finanzschwächeren Klubs am wirtschaflichen Abgrund entlang vornehertreiben und das über lange Jahre hinweg. Es wird den Klubs die Luft nehmen, sich (wieder) an ihre gesellschaftliche Bedeutung zu erinnern und ihr Handeln danach auszurichten. Das Handeln wird noch mehr nur noch dem wirtschaftlichen Überleben folgen.

Zwei Finanzierungsvarianten

Eine finanzielle Unterstützung tut jedoch Not. Der Profifussball  wird unverschuldet noch lange nicht zur Normalität zurückkehren können. Ohne Hilfe wird er daran nicht gesund schrumpfen, wie einige vielleicht hoffen. Nein, er wird daran zu Grunde gehen mit gravierenden Folgen für den Breitensport und insbesondere für die Gesellschaft und die Wirtschaft in der Region, wo er ständig präsent und aktiv ist. Ich plädiere daher für folgende zwei Varianten.

  • Der Bund spricht nicht ein Darlehen, sondern einen Subventionsbeitrag an die Schweizer Profiklubs bzw. an die SFL. Er gewährt ihnen nach dem Subventionsgesetz eine Finanzhilfe und knüpft diese an eine Leistungsvereinbarung (sog. Programmvereinbarung). In dieser sollen Bedingungen wie Salary Cap, zweckgebundener Einsatz von Transfererlösen, Vorgaben zur Preispolitik, aber auch Schwerpunkte und Zielsetzungen im Bereich der gesellschaftlichen Verantwortung der Schweizer Profiklubs formuliert werden. Oder,
  • der Bund beteiligt sich mittels Pflichtwandelanleihen an den Schweizer Profiklubs. Bereits in der Finanzkrise kam diese Mittel zur Anwendung und rettete die Schweizer Banken vor ihrer Illiquidität. Ein ähnliches Modell wäre auch im Profifussball zwar komplexer, aber denkbar. Der Bund hätte die Möglichkeit, während der Laufzeit sich wieder zurückzuziehen oder aber Miteigentümerin zu werden und so die Interessen an einer gesunden Entwicklung des Spitzensports durchzusetzen. Er könnte dieses Recht auch an die Kantone delegieren, die näher an den Profiklubs und dem regionalen Breitenfussballs dran sind.

Nun ist nicht ein Denken in alten Mustern gefragt, sondern ein Rückbesinnen auf die Grundwerte des Sports.

(Dieser Meinungsbeitrag entspringt aus meiner beruflichen Vergangenheit im Fussball. Er ist rein persönlicher Natur)

Am 25. Mai nahm die Zeitungen das Thema auf.

 

16. Mai 2020 von thomas
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