2G kann für Links keine Option sein

2G nimmt demokratische, freiheitsrechtliche und soziale Kollateralschäden in Kauf und kann für linke Politik keine Option sein. Das Grundrecht des Gesundheitsschutzes wird zusehends mit einer Logik ausgefüllt, welche einem Repressionsstaat Vorschub leistet und die wahren Mängel in dieser Pandemie verdeckt. Würde in der Bewältigung der Pandemie tatsächlich die Überlastung des Gesundheitswesens im Zentrum stehen, ginge es heute im politischen Diskurs um die Arbeitsbedingungen des Pflegepersonals und deren sofortigen Verbesserung, um die Kritik an der Ökonomisierung im Gesundheitswesens (z.B. knappe Anzahl Intensivplätze erhöht das Kosten-Nutzen-Verhältnis) und um Massnahmen, welche die Resilienz – nicht nur des Individuums, sondern unserer Gesellschaft – erhöhen und aufklären statt Menschen ausschliessen. Das die Impfung das Virus nicht zum Verschwinden bringt ist seit Monaten klar. Dennoch wird ein Massnahmenapparat aufgebaut, der bisweilen absurde Züge annimmt und das Ziel im Fokus hat, impfunwillige Menschen zum Impfen zu bringen. Koste es, was es wolle.

Wieso dieser einseitige Fokus? Ist es Hilflosigkeit oder liegt darunter nicht doch ein politisches Verständnis, das mit einfachen Lösungen ein Problem aus dem Weg schaffen möchte? Linke Politik steht sonst für Differenzierung und schliesst in ihre Forderungen ganzheitliche Überlegungen ein. In Zeiten von der Pandemie scheinen wir diese Grundhaltung über Bord geworfen zu haben. Verschärfungen, Ausgrenzungen bis hin zu Zwang ist auch in linken Kreisen heute so opportun wie es früher selbstverständlich war, die Staatsgewalt zum Schutze der Freiheit zu begrenzen. Der Ausbau der Polizeigewalt, die Schaffung von Überwachungs- und Informationssystemen, welche die Persönlichkeitsrechte des Einzelnen gefährden, widersprechen dem Rechtsstaatsempfinden, so steht es noch in unserem Parteiprogramm von 1982. Wie können wir ehrlich gegen den Ausbau der Kompetenzen des Nachrichtendienstes, gegen die Vorratsdatenspeicherung, gegen die Überwachung von Versicherten sein und gegen das Anti-Terror Gesetz eintreten und heute einfach schweigen, wenn gesetzliche Grundlagen geschaffen und umgesetzt werden, welche Menschen für weite Bereiche des Lebens ausschliessen möchten? Wie können wir Gesetze, die in Vorbereitung sind und die persönliche körperliche Integrität unter Zwang aushebeln möchten, unkommentiert lassen?

Ich fordere unsere Parteileitung auf, wieder unsere grundrechtlichen Forderungen mutig in den politischen Diskurs aufzunehmen und die Widersprüchlichkeiten in der Pandemiebewältigung aufzuzeigen, die den Solidaritätsbegriff missbrauchen aber letzten Endes einem klassischen neoliberalen bzw. rechtskonservativen Denkmuster folgen.

(Meinungsbeiträge in diesem Blog geben meine persönliche Haltung wieder und sind nicht an ein Amt gebunden)

11. Dezember 2021 von thomas
Kategorien: Politik | 14 Kommentare

Kommentare (14)

  1. Herzlichen Dank!

  2. Vielen Dank, endlich eine Meinung mit der ich einverstanden bin!

  3. Vielen Dank. Endlich ein Politiker mit dessen Meinung ich einverstanden sein kann und von dem ich mich gut vertreten fühle.

    • Vielen Dank Herr Gander! Ich wünschte es gäbe mehr von Ihrer Sorte. Leider scheinen Sie einer der wenigen Politiker zu sein der die Wichtigkeit einer offenen Pro/Contra Disskussion sieht. Der die diskriminierenden und mitunter zweifelhaften Massnahmen sowie den genügenden Schutz der Impfung in Frage stellt. Auch Sie stossen vorwiegend auf Ablehnung und Abwertung statt auf den Willen differenziert hinzuschauen zu wollen. Der einseitige Fokus der Politik, Wissenschaft und der Medien ist für mich geradezu beängstigend. Vom Gros der Politik fühle ich mich fallengelassen.

  4. Herzlichen Dank für diesen tollen Blog.

    Gruess us Bärn

  5. Einen Schritt zurücktreten und innehalten.
    Danke Herr Gander !

  6. Bravo !

  7. Danke Thomas,
    das sehe ich genauso und ich finde es unmöglich, dass jeder, der nicht linienkonform erzählt (denn argumentieren darf man ja sowieso nicht) als Schwurbler oder je nach Thema Verschwörungsthoretiker, Antisemitv oder sonst was hingerichtet wird. Es gibt keine offene, rationale, logische, wissenschaftliche Auseinandersetzung mehr um die besten Lösungen zu finden. Es geht um Macht, Geld und Manipulation. Ich war von jung auf ein sehr politischer Mensch, aber werde mich nun komplett zurückziehen.
    Es tut mir jetzt schon leid, was dierer alles widerfahren wird, aber es gibt doch noch viele Leute aller Couleur, denen du aus dem Herzen sprichst.
    Alles Gute!

  8. Danke! Schön, dass es solche Politiker wie sie gibt!

  9. Danke für das Statement. Dachte schon von der SP sind alle verblödet. Wie kommt Molina dazu das Recht auf die körperliche Unversehrtheit abschaffen zu wollen? Mit linkem Kollektivismus hat das nun gar nichts mehr zu tun. Eher mit Rückschritt in barbarische Zeiten…

  10. Danke für diese klare Stellungsnahme. Sie ist in der aktuellen Zeit mutig. Ich hoffe, dass eine offene und faire Diskussion zum Thema möglich wird und man seine Gedanken aussprechen darf ohne gleich diffamiert zu werden.

  11. Lieber Herr Gander
    Haben Sie vielen Dank für Ihre differenzierte Stellungnahme in Bezug auf die mitunter fragwürdigen Corona-Massnahmen und die ebensolchen weitergehenden Forderungen. Als bisher überzeugte Grün-Links-Wählerin fühle ich mich aktuell von der Politik im links-grünen Spektrum kaum mehr vertreten: Zu einseitig, zu tunnelblickartig, scheint mir die gegenwärtige Situation gerade auch in unserem politischen Lager betrachtet zu werden. Die von Ihnen formulierte (Auf-)Forderung an die SP-Parteileitung möchte ich also vehement unterstützen.

  12. Herzlichen Dank, Herr Gander
    Es ist schön zu wissen, dass es in der SP noch Menschen gibt, die wissen, für was die Partei eigentlich steht – oder zumindest stehen sollte!

  13. Vielen Dank, Herr Gander, dass Sie als einer der wenigen SP-Politiker das logische Denken nicht verlernt haben. Meine Unterstützung haben Sie.

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